Vorrang oder Primat des Rechts: der Grundsatz, dass das EU-Recht dem nationalen Recht vorgeht, wenn es mit diesem in Fragen kollidiert, die durch die Verträge geregelt sind.
Dieser Grundsatz wird in Protokoll 30.2 zum Vertrag von Amsterdam indirekt anerkannt.
Er wurde zwar von den „Gründungsvätern" der Verträge nicht festgelegt, jedoch in bahnbrechenden Gerichtshofurteilen aus den Jahren 1963 und 1964 (Rechtssachen van Gend&Loos/NL und Costa/ENEL) bestätigt.
Das EU-Recht hat auch Vorrang vor den nationalen Verfassungen.
Erstmals wurde dies ausdrücklich im Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Internationale Handelsgesellschaft (Rechtssache 11/70) erklärt.
Die obersten Gerichte der meisten Mitgliedstaaten haben diesen Grundsatz noch immer nicht akzeptiert.
Der deutsche Verfassungsgericht in Karlsruhe beispielsweise erkennt ihn im Allgemeinen an, doch sofern Grundrechte in der deutschen Verfassung davon betroffen sind, fordert er gleichwertige europäische Grundrechte.
Die Zukunft
Art. I-10 des Verfassungsentwurfs enthält den Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts. Nach Art. III 280 des Verfassungsentwurfs hat der EU-Gerichtshof das letzte Wort, wann immer sich die Frage nach der Entscheidungskompetenz stellt.
Da die EU-Charta der Grundrechte als gemeinsame Grundlage in den Verfassungsentwurf aufgenommen wurde, wird von den Mitgliedstaaten erwartet, dass sie die Höherrangigkeit des Gemeinschaftsrechts gegenüber dem nationalen Recht und den nationalen Verfassungen anerkennen.